Sichere Räume für multinationale Innovation
Am 25. März haben wir uns in dieser Blogreihe mit den vielen positiven Beispielen für Innovation und Kooperation in Zeiten von Corona beschäftigt. Seitdem haben viele weitere Unternehmen ihre Produktion auf aktuell benötigte Produkte umgestellt und innovieren, um während und nach der Krise bestmöglich aufgestellt zu sein. Wie das gelingt, dazu sprach unsere Autorin Dr. Britta Müller von der Coachinggesellschaft (im Folgenden: DCG) mit Dr. Benedikt Meier (im Folgenden: BM). Er leitet global verteilte Produktentwicklungs-Teams im industriellen Anlagenbau und engagiert sich für Lehre und wissenschaftliche Forschung an der Universität Hannover und als Visiting Professor an der University of Northampton.
DCG: Wir haben in den vergangenen Tagen und Wochen viel über Innovationen und Kooperationen gelesen, die sich jetzt in vielen Organisationen ganz schnell zeigen. Ist das auch in Ihrer Industrie relevant?
BM: Absolut. Wir sehen jetzt, dass wir ganz anders arbeiten und denken müssen, um weiter erfolgreich zu sein oder in neuen Märkten erfolgreich zu werden. Mein international verteiltes Team arbeitet fast vollständig aus dem Home Office, teilweise in Kurzarbeit. Das stellte uns erst einmal vor ein paar Herausforderungen, schafft aber auch viel Raum für Kreativität.
DCG: Welche Herausforderungen haben Sie persönlich erlebt?
BM: Ich habe auch vor der Zeit des Lock-downs gern aus dem Home Office gearbeitet. Dabei habe ich diese Zeit früher allerdings bewusst dafür genutzt, ganz konzentriert komplexe Themen zu bearbeiten, die meine ganze Aufmerksamkeit forderten und für die die Ruhe und Fokuszeit im Home Office äußerst hilfreich war. Seit drei Wochen ist meine Arbeit aus dem Home Office alles andere als ruhig. Die Tage sind sehr dicht mit Videokonferenzen, und gerade zu Beginn haben wir festgestellt, dass wir viel mehr Zeit brauchen, um Themen virtuell gut zu besprechen und Lösungen gemeinsam zu bearbeiten, als wenn wir uns persönlich sehen. Gleichzeitig sparen wir aber viel Reisezeit und -kosten und werden täglich produktiver in der gemeinsamen Telearbeit.
DCG: Wie gelingt das und wir führen Sie so ein internationales Team jetzt?
BM: Ich habe meine internationalen Teammitglieder seit Beginn des Lock-down eingeladen, uns jeden zweiten Tag zum Virtual Morning Coffee zu treffen. Das wird sehr intensiv genutzt und so treffen wir beim Kaffee nicht nur die Kollegen aus dem eigenen Land, sondern das internationale Team und das schweißt tatsächlich sehr zusammen! Es geht neben der Arbeit auch viel um persönliche Themen und wir lernen uns alle deutlich besser als Menschen kennen.
DCG: Das klingt ja nett! In der Organisationsentwicklung nennen wir das, was Sie da erleben „Psychologische Sicherheit“ und es ist nachgewiesen, dass dies eine der wichtigsten Voraussetzungen für Hochleistungsteams darstellt.
BM: Das kann ich unterschreiben. Die Kollegen nehmen den Austausch gerne wahr und ich erlebe sogar, dass Mitglieder anderer Teams sich einwählen, um mit Kollegen eng verbunden zu bleiben, solange der face-to-face Kontakt fehlt. Als Team scheint uns diese Zeit zusammenzuschweißen.
DCG: Was nehmen Sie noch als anders und hilfreich wahr? Machen Sie als Führungskraft etwas anders?
BM: Ich schaffe für die Teams viel Transparenz über die Themen, die die Organisation und mich persönlich jetzt beschäftigen. Damit gebe ich den Entwicklern auch Orientierung – was geht jetzt gerade, was nicht. Darüber hinaus halte ich es aber für besonders wichtig, jetzt über die Zeit nach Corona zu sprechen. Ich bin überzeugt, „Scarcity drives creativity“. So entstehen aktuell an vielen Stellen in den persönlichen Gesprächen und Teambesprechungen neue Ideen, die unser Geschäft in den kommenden Monaten stärken werden.
DCG: Wie können Sie denn die Teams international gut für diese neuen Ideen und entsprechenden Projekte jetzt begeistern?
BM: Zum einen nehmen viele die persönliche, wenn auch virtuelle, Kommunikation und die vielen zusätzlichen virtuellen Networking-Gelegenheiten als sehr wertvoll wahr. Das hatte ich ja schon berichtet. Zum anderen legen wir jetzt bewusst weniger Augenmerk auf klassische Projektarbeit mit Statusberichten in starren Strukturen. Ganz im Gegenteil bilden wir agile Task Forces, die sich dann eigene kleine Meilensteine definieren, zu denen sie erste greifbare Ergebnisse erarbeiten und dazu Feedback einholen.
DCG: Klingt wie ein eigenes Scrum-Format?
BM: Wir nennen es noch nicht so, aber die Arbeitsweisen, die sich jetzt durchsetzen, sind definitiv eher die agilen, iterativen Entwicklungs-Ansätze, in denen es auf Selbstorganisation und kurze Entwicklungs-Zyklen ankommt. Das liegt meiner Ansicht nach daran, dass Teams so ihre eigenen Fortschritte und Erfolge schneller sehen und auch für andere sichtbar machen können. Und genau das schafft unglaublich viel Motivation.
DCG: Können Sie bereits verraten, an welcher nächsten großen Innovation Sie mit Ihrem Team gerade arbeiten?
BM: (lacht) Da gibt es so einiges und vieles davon ist sehr vielversprechend. Mit der Kommunikation möchte ich aber noch warten, bis wir auch von unseren Kunden und externen Partnern grünes Licht bekommen haben.
DCG: Wir sind gespannt! Danke fürs Teilen Ihrer Erfahrungen!
Autorin: Dr. Britta Müller