Besseres Lernen. Bessere Ergebnisse.
In unserer zunehmend dynamischen und komplexen Welt wird die Lernfähigkeit einer Organisation immer mehr zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Wie also können wir diese Fähigkeit systematisch entwickeln und verbessern?
Eine Aufgabe, die immer wieder an uns herangetragen wird, ist die Begleitung von Teams im Übergang von der klassischen zur agilen Arbeitsweise. Mal im Zuge von Reorganisationen ganzer Unternehmenseinheiten, mal für cross-funktionale Teams in Matrixstrukturen oder auch bei der Gründung erster agiler Zellen in Unternehmen, die ansonsten ganz klassisch hierarchisch strukturiert sind. Unser wichtigstes Learning hierbei: entscheidender Faktor für den Erfolg der Maßnahmen ist die Lernfähigkeit der Teams. Und selbstverständlich auch die Lernfähigkeit ihrer Umgebung! Bedenkt man zudem, dass wir uns in einer sich immer schneller verändernden Welt befinden, dann ist es nur logisch, dass sich die Lernfähigkeit von Organisationen zu dem Wettbewerbsvorteil schlechthin entwickeln wird. Entsprechend ist das Wissen darüber, wie Lernen in Organisationen systematisch verbessert werden kann, höchst bedeutsam. Soviel direkt vorab: Einfach ist es nicht. Die gute Nachricht, es ist möglich!
Bereits seit den 90er Jahren wird die lernende Organisation in der Management-Literatur z.B. von Senge oder von Argyris und Schön aus mehreren Blickwinkeln beleuchtet. Wir nutzen vor allem ihr Triple Loop Learning Modell, um einerseits gut zu erkennen, wie Organisationen jetzt gerade lernen und andererseits um Schritte zu entwickeln, wie das Lernen deutlich verbessert bzw. verschnellert werden kann.
Das Modell in Anlehnung an Agyris/Schein:
Hier ein Beispiel um die Unterschiede der einzelnen Lernphasen erfassen zu können.
Eine Führungskraft ist recht entnervt. Schon mindestens dreimal hat sie in der Organisation erklärt, wie Zusammenarbeit in cross-funktionalen Teams funktioniert, welche Aufgaben dazugehören und welcher Entscheidungsrahmen gegenüber den disziplinarischen Führungskräften besteht. Aber immer wieder entstehen Zweifel und Konflikte zwischen genau diesen besagten cross-funktionalen Teams und der Hierarchie, die die Arbeit lähmen. Wir werden gefragt: “Wie kann ich das den Leuten so erklären, dass es endlich alle verstehen?“ Aber ist es wirklich dass, was es braucht: eine weitere Erklärung? Für uns offensichtlich, das kann nicht die Lösung sein. Schließlich wusste schon Einstein:
„Es ist verrückt anzunehmen, immer wieder das gleich zu tun und doch die Veränderung von Ergebnissen zu erwarten“.
Eine klassische Situation, in der „mehr vom selben“ – in diesem Falle Single Loop Learning – nicht zu besseren Ergebnissen führen würde.
SINGLE LOOP LEARNING
Im Single Loop Learning wird vor allem überprüft, ob etwas „richtig“ oder „falsch“ in einer Organisation läuft. Wir fragen uns wie etwas „richtig“ funktioniert – nicht unbedingt, ob es das Richtige ist. Erreicht beispielsweise ein Produkt am Markt nicht die gewünschten Absatzziele, werden die Produkt-Funktionen hinterfragt oder das Marketing – irgendwo muss ja etwas „falsch“ gelaufen sein. Funktioniert eine Art und Weise der Zusammenarbeit nicht, so wie in unserem Beispiel, fragen wir uns, warum die Mitarbeiter nicht „einfach“ die gesetzten normativen Regeln befolgen – schließlich wäre doch dann alles klar.
Beim Single Loop Learning findet eine vertiefte Reflexion über die hinter den Zielen liegenden Annahmen nicht statt. Stattdessen verfallen wir im Single Loop Learning schnell in gutgemeinte Ratschläge, wie man das erwünschte Ziel doch noch erreichen kann: „Probier‘ doch mal dies!“, „Mach das doch mal so!“ – und wundern uns, dass die Ergebnisse nicht besser werden. Aber was für A stimmig ist und gut funktioniert, funktioniert für B noch lange nicht. Und so ist es wert, ins Double Loop Learning überzugehen.
DOUBLE LOOP-LEARNING
Im Double Loop Learning beginnen Organisationen, nicht nur Verhaltensweisen, sondern auch die Ziele selbst, sowie die dazugehörigen Vereinbarungen und Absichten zu reflektieren.
Die Führungskraft aus unserem Beispiel würde nun statt weitere Erklärungen abzugeben, beginnen offene Fragen an die Teams zu stellen. Diese könnten lauten: „Was denkt ihr über die einzelnen Rollenbeschreibungen, über eure Aufgabenzuweisung, über euren Entscheidungsrahmen? Welche Vereinbarungen, Regeln oder auch Zielvorgaben funktionieren für euch gut? Welche nicht?“ Die Frage könnte auch lauten: „Wie können unsere cross-funktionalen Teams bessere Entscheidungen treffen?“ Um die Frage zu beantworten, würden nicht nur die Teams, sondern auch die disziplinarischen Führungskräfte – also alle, die mit den Entscheidungen leben müssen, in die Lösungsfindung eingebunden. Es wäre nicht unüblich, dass dabei auch die Frage nach dem Sinn und Zweck der cross-funktionalen Teams gestellt wird – und gleichzeitig ganz neu beantwortet werden darf.
Bei vielschichtigen organisationalen Lernprozessen können Formate wie Design Thinking oder „Open Space“, die besonders viele Teilnehmer in den Lern- und Gestaltungsprozess einbeziehen, Double Loop Learnings ermöglichen. Wichtig ist bei all diesen Vorgehensweisen, dass das erarbeitete Ergebnis am Ende nicht von der Führungskraft als „richtig“ oder „falsch“ eingeordnet wird. Denn: „Der Wurm muss dem Vogel schmecken“ oder: die Lösung muss für ihre Nutzer funktionieren. Neues darf, bzw. muss also ausprobiert werden!
TRIPLE LOOP LEARNING
Was hat es nun mit Triple Loop Learning auf sich? Hier geht es noch einmal eine Stufe tiefer in der Reflexion. Alle Beteiligten werden dazu eingeladen, auf ihr eigenes Verhalten und auf die Grundannahmen zu schauen, die dem zugrunde liegen. Ein Prozess, der beispielsweise im Rahmen einer Retrospektive eröffnet oder begleitet werden kann. Dabei ist es bedeutsam, sich immer wieder von der Handlungs- und Ergebnisebene zu lösen und stattdessen auf der Metaebene zu reflektieren.
Typische Fragen lauten:
- Wo kommt unser Lösungsfindungsprozess immer wieder ins Stocken und an welchen Annahmen könnte das liegen?
- Welche Überzeugungen liegen unserer Handlungsweise und den von uns gewünschten Ergebnissen zugrunde?
- Welche Haltungen und Arbeitsweisen haben für uns in der Vergangenheit gut funktioniert, um Probleme zu lösen? Und funktionieren sie heute auch noch?
Unsere Führungskraft würde sich also fragen: was denke ich über Führung und was lässt mich annehmen, dass die Vereinbarungen und Prozesse der cross-funktionalen Teams so sein müssen, wie sie zur Zeit sind? Was denke ich über die Teams, welche Annahmen habe ich über den Reifegrad der Menschen in den Teams und sind diese Annahmen wirklich zutreffend? Im Triple Loop Learning hinterfragen wir also unser eigenes Denken. Keine einfache Aufgabe, allerdings extrem wirkungsvoll. Denn schon Einstein wusste:
„Wir können unsere Probleme nicht auf der Ebene des Denkens lösen, auf der wir sie erschaffen haben“
In unserem Fall war beispielsweise eine sehr hinderliche Grundannahme, dass Führung die wesentlichen Entscheidungen zu treffen hat und die Teams – obwohl eine viel höhere Informationsdichte auf der Arbeitsebene zur Verfügung stand – lediglich Entscheidungsvorlagen vorbereiten durften. Das führte zu viel Abstimmungsaufwand, Informations- und Reibungsverlusten.
Der entscheidende Durchbruch kam mit der Einsicht es genüge auch, wenn die Teams vor Entscheidungsfindung noch einmal führungsseitig beraten werden. So konnte sichergestellt werden, dass zumindest alle Aspekte, die der Führungsebene wichtig waren Berücksichtigung finden konnten. Die Teams kamen zu Entscheidungen, die sie zufriedener stellten, da ihre Arbeitsergebnisse darin deutlich mehr berücksichtigt wurden. Eine spürbare Beschleunigung und Vereinfachung der Prozesse war die Folge.
Im Triple Loop Learning geht es also darum den eigenen Denkrahmen zu erkunden und zu erweitern. Da wir nichts erschaffen können was wir nicht vorher denken können, ist dies ein äußerst effektvoller Ansatz. In Unternehmen vielfach noch unentdeckt. Viel zu sehr sind wir in unserer ergebnisorientierten Welt mit dem „Äußeren“ beschäftigt: mit unseren Handlungsweisen und den äußeren Umständen. Stattdessen liegt oft der größte Entwicklungshebel in unserem „Inneren“. Wenn wir nicht nur im Schneckentempo lernen wollen, sondern auch einmal Quantensprünge ermöglichen möchten, werden wir uns häufiger dem Triple-Loop-Learning widmen müssen.
Zu den Autorinnen:
Dr. Britta Müller
ist Organisationsberaterin, zertifizierter Coach und New Work-Lotsin. Seit 2004 begleitet die promovierte Betriebswirtin Top-Executive-Teams in internationalen Konzernen und mittelständischen Strukturen bei der Entwicklung und Umsetzung strategischer Projekte. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind die Gestaltung von Transformationsprozessen auf Unternehmens- und Funktionsebene, die Entwicklung wirksamer Strukturen für organisationale Ambidextrie sowie als New Work-Lotsin die Begleitung von Organisationen bei der Einführung und Etablierung neuer, wirksamer Arbeitsweisen.
Stephanie Ekrod
ist Gründerin, Inhaberin und CCO (Chief Culture Officer) der Coaching Gesellschaft, Senior Executive Coach und Coach-Ausbilderin. Bereits seit 2009 begleitet sie als Coach Top Management, Führungskräfte und High-Potentials in Konzernstrukturen sowie in mittelständischen Unternehmen. Als Expertin für das agile Führungs-Mindset steht sie Führungspionieren als Sparringspartnerin und Beraterin in Transformationsprozessen zur Seite und hält Key Notes zu den Themen „Wirksame Führung in der VUKA-Welt“, „Agiles Mindset“ und „Gender Diversity“